Kommunalparlamente

In Baden-Württemberg gibt es vier „Ebenen“ der Kommunalparlamente:

Ortschaftsrat

Ortschaftsräte gibt es i.d.R. in größeren Städten, die Ortsteile mit einer gewissen Eigenständigkeit haben und in ihrer Hauptsatzung Ortsteile festgelegt haben. Oft ist die Existenz von Ortschaftsräten ein Rest der Gebietsreform 1968 – 1975 in Baden-Württemberg, bei der den eingemeindeten Ortschaften der Ortschaftsrat als Diskussionsgremium gelassen wurde.

I.d.R. diskutieren Ortschaftsräte über die Angelegenheiten der Ortschaft und sprechen eine Empfehlung an den Gemeinderat aus. Wenn die Hauptsatzung der Kommune dies ausdrücklich bestimmt, haben Ortschaftsräte eine beschränkte Entscheidungsbefugnis.

Ortschaftsräte werden vom Ortsvorsteher geleitet, der vom Gemeinderat aus den Bürgern der Ortschaft als „Beamter auf Zeit“ ernannt wird.

Arbeitsfelder: Ortschaftsräte diskutieren über lokale Angelegenheiten, also z.B. Straßengestaltung, Gestaltung des öffentlichen Raums (z.B. Spielplätze), Baupläne und Bauanträge, Ausgestaltung des öffentlichen Nahverkehrs im Ortsteil, Schulen und Kindergärten etc.

Bedeutung: Ortschaftsräte werden oft kritisiert, da sie Kosten verursachen und i.d.R. keine Entscheidungen fällen. Sie geben den Bewohnern der Ortschaften aber das Privileg, dass Menschen aus dem engeren Umfeld über die Angelegenheiten der Ortschaft entscheiden.

Eine demokratischer Forderung zu Ortschaftsräten könnte sein: In Gemeinden mit Ortschaftsräten wäre es demokratischer, die Ortschaftsräte aufzulösen und mit den freiwerdenden Ressourcen in allen Stadtteilen und Quartieren der Gemeinde regelmäßige Quartiersversammlungen durchzuführen, zu denen alle Bürger des Stadtteils bzw. Quartiers eingeladen sind. Die Quartiersversammlungen sollen, wie der Ortschaftsrat, Empfehlungen an den Gemeinderat aussprechen und bei konkreten lokalen Projekten von allgemeinem Interesse auch abstimmen und entscheiden können.

Bezirksbeirat

In größeren Städten kann es – organisatorisch aufgebaut wie die Ortschaftsräte – in jedem Stadtbezirk einen Bezirksbeirat geben. Bezirksbeiräte decken – anders als Ortschaftsräte – i.d.R. das gesamte Stadtgebiet ab. Auch hier gilt, dass sie i.d.R. – wie der Name schon sagt – nur ein Beirat sind, d.h. sie haben keine oder nur sehr limitierte Entscheidungskompetenz und können dem Gemeinderat nur Empfehlungen geben. Schauen Sie in die Hauptsatzung ihrer Kommune, da wird die Struktur erläutert.

Bezirksbeiräte sind aber – im Vergleich zu Ortschaftsräten einer Gemeinde mit einer Kernstadt, die keine Vertretung auf dieser Ebene hat – ein Schritt in die richtige Richtung, da hier alle Bürger zumindest eine lokalere Vertretung haben.

Eine demokratischer Forderung zu Bezirksbeiräten könnte sein, diese durch regelmäßige Bezirksversammlungen zu ergänzen und auf diesen Bezirksversammlungen alle Teilnehmer abstimmen zu lassen, dieses Ergebnis muss dann für den Bezirksbeirat bindend sein. Weiterhin sollte ein Bezirksbeirat in Bezirksrat umbenannt werden, ein eigenes Budget und entsprechende Entscheidungskompetenz erhalten für alle Entscheidungen, die nur den Bezirk betreffen.

Gemeinderat

Der Gemeinderat ist die Regierung der Gemeinde. Er entscheidet über alle Belange der Gemeinde und beauftragt den (Ober-)Bürgermeister als Leiter der Gemeindeverwaltung mit der Umsetzung der Beschlüsse. Die Arbeit der Gemeinderäte wird in der Gemeindeordnung Baden-Württemberg (GemO BW) geregelt.

Je nach Größe der Gemeinde hat der Gemeinderat unterschiedliche Arbeitsweisen. In kleineren Gemeinden entscheidet der Gemeinderat i.d.R. alles als Gesamtgremium. In größeren Gemeinden werden meist Ausschüsse gebildet, die – je nach Hauptsatzung – nur Empfehlungen aussprechen oder bis zu einem gewissen Betrag Entscheidungen fällen. Der Gemeinderat als Gesamtheit muss Entscheidungen von Ausschüssen aber immer zumindest zur Kenntnis nehmen. Hat die Gemeinde eigene Betriebe, so können dort auch Gemeinderatsmitglieder im Aufsichtsrat sitzen.

In den Stadtkreisen (Stuttgart, Karlsruhe, Mannheim, Freiburg, Heidelberg, Ulm, Heilbronn, Pforzheim und Baden-Baden) umfassen die Aufgaben des Stadtrates auch die Arbeitsfelder, die in den Landkreisen vom Kreistag bearbeitet werden.

Der Gemeinderat wird vom (Ober-)Bürgermeister geleitet. Die Leiter der Abteilungen und kommunalen Einrichtungen (z.B. Kläranlage, Schule, Ordnungsamt, Bauamt …) sind i.d.R. bei den Sitzungen anwesend, bei denen Entscheidungen in ihrem Arbeitsgebiet gefällt werden, und halten einen Fachvortrag und stehen für Fragen zur Verfügung.

Arbeitsfelder: Der Gemeinderat entscheidet über alles, was die Gemeinde betrifft. Insofern sind die Arbeitsfelder eines Gemeinderates von der Größe und den Einrichtungen der Gemeinde abhängig. Es sind aber immer: Schulen und Kindergärten, Straßen, Bauanträge, Infrastruktur (Wasser, Abwasser, Strom, Glasfaser …), öffentlicher Nahverkehr, Gewerbeansiedlung etc., weitere Arbeitsfelder sind abhängig von der Größe der Gemeinde und den vorhandenen Einrichtungen: Nahwärme, Wohnbaugesellschaft, Theater, Schwimmbad, Jugendhaus, Schulen etc.

Eine Gemeinde finanziert sich vor allem durch einen Anteil an der Einkommenssteuer der Einwohner sowie der Gewerbesteuer.

In der Regel gilt: die Arbeitsfelder auf Gemeindeebene können mit einem gesunden Menschenverstand, einer ausreichenden Allgemeinbildung und der Bereitschaft, sich in Dinge einzuarbeiten, sehr gut bewältigt werden. Wenn Sie es geschafft haben, bis zu dieser Zeile zu lesen, sind Sie sehr gut qualifiziert, Mitglied des Gemeinderates Ihrer Kommune zu sein! Sie haben gezeigt, dass Sie längere Texte lesen und (hoffentlich) auch verstehen können, Sie haben Interesse an der öffentlichen Verwaltung und sind engagiert (denn es gibt sicher spannendere Texte als die auf dieser Seite!).

Warum sind Gemeinderäte wichtig? Die Gemeinde ist Grundlage und Glied des demokratischen Staates. (§ 1 Abs. 1 GemO). Als Gebietskörperschaft ist sie fest verbunden mit dem Leben aller Einwohner und bleibt auch bei allen Verwerfungen auf höherer Ebene erhalten. Selbst bei einer großen Krise sind die Gemeinden die „Rückfallebene“ der politischen Struktur und haben die Aufgabe, das konkrete (Über)leben der Einwohner zu sichern. Einen guten Eindruck, was theoretisch möglich wäre, ist das sog. „Wunder von Wörgl„.

Demkratische Forderungen zu Gemeinderäten könnten sein: Die Arbeit der Gemeinderäte muss durch direktdemokratische Elemente, ergänzt werden, vor allem freiwillige Bürgerentscheide (§ 21 GemO) müssen genutzt werden. Weiterhin müssen die Unterrichtungspflichten des Gemeinderates (§ 20 GemO) umgesetzt werden – diese Unterrichtungen durch Einwohnerversammlungen finden in den meisten Kommunen nicht statt.

Kreistag

Der Kreistag regelt einen Teil der Aufgaben der Kreisverwaltungen. Die Landkreise sind „Zwitter“ – einerseits organisieren sie die überregionalen Belange im Landkreis, andererseits sind sie unterste Verwaltungsbehörde der Landesregierung. Die Arbeit der Landkreise und des Kreistages wird in der Landkreisordnung Baden-Württemberg (LKrO BW) geregelt.

Die Aufgabenbereiche der Landkreise sind:

Der soziale Bereich mit Arbeitsamt (hier gibt es unterschiedliche Beteiligungsmodelle zwischen der Bundesagentur für Arbeit und den Landkreisen), Sozialamt, Jugendamt, Suchtprävention, Organisation der Gesundheitsvorsorge, Krankenhäuser, Pflegeheime etc. Einige Kreise betreiben eigene Kliniken und Heime, in anderen gibt es nur oder vor allem private Kliniken und Heime. Und in diesem Zusammenhang natürlich auch die „Pandemievorsorge“ etc.

der öffentliche Nahverkehr, wenn er nicht in einzelnen Städten von diesen selbst organisiert wird,

die berufsbildenden Schulen und die Sonderschulen

Landwirtschaft und Forsten, Umwelt- und Naturschutz

Abfallwirtschaft, Recyclinghöfe etc.

Gewerbeaufsicht, Veterinäramt etc.

Details dazu finden sich z.B. hier: https://www.landkreistag-bw.de/index.php?id=62

Der Landkreis ist z.B. bei kleineren Gemeinden auch für das Baurecht zuständig, während dies bei größeren Städten bei der Stadtverwaltung angesiedelt ist. Je kleiner die Gemeinde, je mehr hat die Kreisverwaltung zu sagen.

Der Landkreis finanziert sich aus Zahlungen des Landes für die Pflichtaufgaben und aus der sog. „Kreisumlage“, die prozentual von allen Kommunen des Landkreises aufgebracht werden muss. Als „Faustregel“ soll gelten, dass die Summe der Kreisumlage in etwa den Ausgaben des Sozialbereiches entsprechen soll.

Die Kreisverwaltung und auch die Sitzungen des Kreistages werden vom Landrat geleitet. Dieser wird – anders als Bürgermeister – nicht direkt, sondern von den Mitgliedern des Kreistages gewählt. Der Kreistag organisiert sich in Ausschüssen, die jeweils für ein Fachgebiet (z.B. Soziales, Schulen, Heime, etc.) zuständig sind. Die Leiter der Abteilungen / Dezernate sind i.d.R. bei den Sitzungen anwesend, bei denen Entscheidungen in ihrem Arbeitsgebiet gefällt werden, und halten einen Fachvortrag und stehen für Fragen zur Verfügung. Die eigentliche Arbeit findet im Kreistag aber in den Ausschusssitzungen statt.

Arbeitsfelder: Der Kreistag hat Mitspracherecht nur in den Bereichen, in denen der Landkreis nicht als unterste Verwaltungsbehörde arbeitet. Er kann also nichts zu den Themen wie Veterinäramt, Gesundheitsamt, Gewerbeaufsicht etc. beschließen und hat dort zwar Auskunftsrecht, aber kein Mitspracherecht.

Für die Arbeit im Kreistag sollte man sich spezialisieren auf ein oder mehrere Arbeitsfelder, und sich dann in die entsprechenden Ausschüsse wählen lassen. Für die Arbeit im Kreistag wird man sich mit der Zeit entsprechendes Fachwissen aneignen müssen, z.B. im Sozialbereich die Sozialgesetzbücher etc., um kompetent entscheiden zu können. Insbesondere im Kreistag ist es wichtig, in einer Fraktion gut zusammenzuarbeiten.

Demkratische Forderungen zu Kreistagen könnten sein: Die Arbeit des Kreistages muss durch direktdemokratische Elemente ergänzt werden. Dies ist in der Landkreisordnung noch nicht vorgesehen (BW ist eines der wenigen Bundesländer, in denen Bürgerentscheide auf Landkreisebene nicht möglich sind!). Auf jeden Fall müssen die Unterrichtungspflichten des Landkreises (§ 17 LKrO) umgesetzt werden. Bürgermeister sollten dem Kreistag nicht angehören dürfen. Der Landrat sollte direkt und nicht nur von den Kreistagsmitgliedern gewählt werden. Das sind aber Themen, die durch Landesgesetze geregelt werden und bei der nächsten Landtagswahl aufgegriffen werden sollten.

Regionalversammlung Verband Region Stuttgart

Die Regionalversammlung Region Stuttgart ist ein politisches Gremium, das die Arbeit des Regionalverbandes Region Stuttgart kontrolliert.

Da dies nicht für alle interessant ist, verweise ich auf die Webseite des Verbandes: https://www.region-stuttgart.org/regionalversammlung

Die Kreisverbände Ludwigsburg, Rems-Murr-Kreis, Böblingen, Esslingen und Göppingen sowie der Stadtverband Stuttgart sollten also auch Listen für die Wahl zur Regionalversammlung aufstellen.

Demokratische Forderungen zu Regionalversammlungen könnte sein, dass diese auch für die anderen 11 Regionalverbände des Landes Baden-Württemberg eingerichtet werden. Überregionale Planungen, wie beispielsweise zur Krankenhausstruktur etc., sollten dann in diesen Gremien stattfinden.

Weitere Informationen

Eine sehr ausführliche (aber auch unkritsiche) Übersicht über die Strukturen und Aufgaben der Kommunalpolitik findet sich auf dieser Seite der Landeszentrale für politische Bildung.

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